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Über Lust & Schmerz, angenehme & unangenehme Erfahrungen


Die menschliche Psyche ist gekennzeichnet durch Widersprüchlichkeit, Mehrdeutigkeit, Komplexität. Sich durch diesen inneren Erfahrungsraum sicher zu navigieren, eine anspruchsvolle (und sehr schöne/lustvolle!) Aufgabe. Hinweisen möchte ich heute auf ein scheinbares Paradoxon: Den Zusammenhang von angenehmen & unangenehmen Erfahrungen und damit auch Lust und Schmerz. Eines unserer elementarsten Bedürfnisse ist jenes nach Lustgewinn einerseits, und daraus folgernd Unlustvermeidung auf der anderen Seite. Fast die gesamte Freud’sche Psychoanalyse basiert auf diesem Menschenbild. Aus seiner Sicht ist das Lustprinzip das zugrunde liegende Prinzip all unseres Verhaltens. Zum Glück ist unsere mernschliche Erfahrung weit komplexer, sonst würden wir kaum langfristige Ziele formulieren und auch umsetzen können, intensive zwischenmenschliche Beziehungen eingehen und halten.


Dennoch ist dieses Prinzip wichtig zu verstehen, denn ein tiefes Verständnis der elementaren psychischen Bedürfnisse ermöglicht, zielgerichteter und zufriedenheitssteigernd mit diesem Motiv spielerisch in Kontakt zu treten.


Wenn du dir kleine Kinder anschaust, wirst du feststellen, wie stark getrieben diese noch sind vom Motiv nach Lustgewinn und der Vermeidung von allem, was auf der anderen Seite unangenehm ist. Daraus folgt eine sehr kurzfristige Ausrichtung der eigenen Handlungen entlang dieses Motivs. Entsprechend zum Motiv fallen auch die emotionalen Reaktionen aus, angenehme Gefühle bei Lust, unangenehme bei Unlust.


Im Buddhismus wurde schon früh erkannt, dass die Unterteilung von Erfahrungen in angenehm, unangenehm und im zweiten Schritt zudem deren Bewertung als positiv oder negativ für das Erreichen eines weisen Lebens nicht zielführend ist. Gleichmut ist hier das Ziel, eine möglichst neutrale Haltung gegenüber allen Erfahrungen, egal ob angenehmer oder unangenehmer Natur. Ich behaupte nicht, dass dies der einzig richtige Weg ist im Pluralismus der Weltanschaungen. Ich finde es durchaus legitim, nach mehr Lust und weniger Unlust zu streben, aber das Prinzip des Gleichmutes bietet eine interessante Grundlage zur Erforschung eigener intrapsychischer Prozesse, vor allem emotionaler Natur.


Du darfst dich gerne fragen:

Gibt es unangeheme Erfahrungen in deinem Leben, die du gerne freiwllig aufsuchst?

Gibt es unangenehme Emotionen, die du gerne freiwillig empfindest?

Neigst du dazu, die Welt in „gut“, „schlecht“, „angenehm“ und „unangenehm“ zu unterteilen?

Gibt es Erfahrungen, denen du automatisch aus dem Weg gehen möchtest, weil sie zu unangenehm sind?


Hier nun das eigentliche Problem/Paradoxon:Viele Menschen versuchen erfolglos, ihre angenehmen Erfahrungen zu maximieren, weil sie sich nicht genug mit unangenehmen Erfahrungen auseinandersetzen.


Bezogen auf Emotionen bedeutet dies zum Beispiel: Das Ausmaß angenehmer Emotionen im eigenen Leben hängt eng zusammen mit der Fähigkeit, unangenehme Emotionen zu spüren, zu tolerieren und zu akzeptieren.


Bezogen auf Schmerz bedeutet dies:Wer eine hohe Toleranzsschwelle für Schmerz hat und die Angst vor schmerzhaften Erfahrungen verliert (und damit meine ich nicht ungesund selbstschädigende und selbstverletzende Verhaltensweisen), wird mehr Lust empfinden.


Es ist wie ein Muskel, den man trainiert und ein indirekter Pfad. Wer Lust maximieren möchte, darf sich mit Unlust beschäftigen. Häufig muss man erst eine unangenehme Erfahrung durchwandern, zum Beispiel einen emotionalen Konflikt zulassen und spüren, um danach mehr angenehme Gefühle zu spüren.


Entscheidend ist die zugrunde liegende Motivation. Beim Sport konfrontiert man sich oft freiwillig mit unangenehmen, schmerzhaften Erfahrungen, genießt sie zuweilen sogar.

Beim BDSM und erotischen Dominanz/Unterwerfungs-Spielen agiert man bewusst mit dem Wechselspiel auf Schmerz und Lust. Wer ab und zu friert und auch mal kalt duscht, wird die Wärme danach mehr genießen. An- und Entspannung hängen eng zusammen.


Du siehst, wie immer bei der menschlichen Psyche: Es ist komplex und es gibt keine einfachen Antworten.

Eine zentrale Quelle von Lust ist die Reduktion von Mehrdeutigkeit. Wir versuchen immer, aus der Ambivalenz in die Eindeutigkeit zu kommen. Gleichzeitig ist es eine zentrale Aufgabe für ein erwachsenes, verantwortungsbewusstes Leben, eben genau diese Mehdeutigkeit zuzulassen und nicht nach einfachen, vorschnellen Lösungen zu suchen.


Unlustvermeider bleiben ist keine Option, aber zuweilen gerechtfertigt. In meinen Atemgruppen arbeiten wir genau mit diesem Prinzip. Wir steigern zunächst das Erleben unangenehmer Erfahrungen, etwa durch eine intensive, anstrengende Atmung oder das lange, schmezhafte Halten der Luft mit leerer Lunge. Das Ziel ist zum einen das Steigern der individuellen Toleranzsschwelle für unangenehme Erfahrungen, wir trainieren sozusagen einen Muskel. Zum anderen entsteht auch automatisch ein angenehmer Rebound Effekt, oft in Kombination mit einer emotionalen Entladung, in dem eingefrorene Gefühle und damit verbundener Stress, Ver- und Anspannung aus dem Nervensystem entweichen können.


So wird das Prinzip der Unlustvermeidung konfrontiert und gesunde Wege gefunden, den eigenen Körper gezielt zu beeinflussen. Atemübungen stärken so die Selbstwirksamkeitserwartung und das Selbstvertrauen. Es macht zudem mit der Zeit immer mehr Freude, weil man schon vorab positive Effekte antizipiert und Vertrauen in die Techniken und Methoden entwickelt. Initial muss man aber dennoch zunächst durch den unangenehmen Prozess.



Aber genau diese Einsicht, dass es nicht anders geht, ermöglicht den inneren kindlichen Anteilen, die sich das Leben manchmal noch auf eine naive Art und Weise einfach wünschen, gesund erwachsen zu werden. Und auch das klingt vielleicht wieder etwas paradox zunächst: Dann, wenn das innere Kind mehr Halt und Heilung findet und durch gesunde, erwachsene Anteile gehalten und strukturiert wird, wird es sich mehr zeigen und wieder aus unserem Wesenskern heraus scheinen.


Das alles lässt sich mit Unterstützung der Atmung erfahren. Es lohnt sich also!


Ich hoffe, dieser Artikel war für dich hilfreich.


Ich freue mich, dich eventuell bald in einer meiner Gruppen begrüßen zu dürfen.


Herzliche Grüße


Simón 

 
 
 

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