Teile-Arbeit in Partnerschaften
- Simon Reuter
- 15. Mai
- 7 Min. Lesezeit

Die multiple Struktur der Psyche Es gibt ein Paradoxon, dass mich tagtäglich beschäftigt. Es zeigt sich in dem Wort „Ich“.Immer, wenn ich „ich“ sage, tue ich so, als wäre ich eine Person. Jeder, der zumindest einen rudimentären Zugang gefunden hat zu der Natur der eigenen Persönlichkeit, wird wohl festgestellt haben, dass er selten eine Person ist. Wie oft kommt es vor, dass es sich in dir eindeutig und klar anhört? Aus den Geschichten von den Menschen, die mich begleiten und mit denen ich zusammenarbeite, zeigt sich meistens ein Bild von Mehrdeutigkeit im intrapsychischen Binnenraum. Es reden viele, durcheinander, die meiste Zeit. Es ist anstrenend, laut, ungeordnet, chaotisch. Wieso ist das so? Nun, die Antwort ist recht einfach: Wir sind viele. Und stelle dir vor, ich rede gerade nicht von dir oder uns, sondern meine „Ich“ und sage „Wir“. Als gedankliches Spiel werden wir den Artikels zunächst so fortschreiben, um etwas neues zu testen in der Art und Weise, wie wir Sprache verwenden. Aus uns sprechen viele, aus dir respektive euch wahrscheinlich auch. Gerade schreibt hier jener Teil aus uns, der gerne die Kontrolle hat, einen Plan, der zielorientiert handelt und der stets eine Aufgabe braucht, um sich wertvoll zu fühlen. Er ist aktiv daran interessiert, unseren Selbstwert zu stabilisieren und zugleich zu verhindern, dass sich unsere verletzten kindlichen Anteile aktivieren und unser Körper mit Wellen der Unsicherheit und Verletzlichkeit überflutet wird. Manchmal wird dieser Teil in uns müde, dann reagieren wir traurig, wütend, impulsiv, konsumieren Substanzen. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Anteile, die uns bewohnen. Manche fühlen sich erwachsen, andere eher nicht. Manche haben einen Plan, manche sind überfordert mit der Aufgabe des Menschseins, manche fühlen sich verbunden, andere zweifeln, ob sie liebenswert sind. So ungefähr geht es uns allen. Wir arbeiten mittlerweile lange genug therapeutisch, um verstanden zu haben, dass wir alle multiple Persönlichkeiten sind. Das ist keine Störung, das ist normal. Wenn ich (ich erlaube mir hier sprachlich aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit zurückzuwechseln) lange genug Zeit mit jemandem verbringe, fängt in der Regel irgendwann mein Gegenüber an zu erzählen, dass er sich für merkwürdig und weird hält. Und ich denke:„Ja wir sind irgendwie alle strange, ich jedenfalls finde mich oft komisch.“ Ich teile die wenigsten meiner Gedanken, weil ich befürchte, dass ihr dann denkt, dass ich komisch bin. Es ist dieser ewige Versuch, erwachsen und vernünftig zu sein. Aber wer ist das schon? Wenn ich mich erden möchte, verbringe ich Zeit mit Kindern. Die sind halt noch so, wie sie sind. Was unsere Psyche im Laufe des Älterwerdens macht, ist eine innere Kompromissbildung. Sie übergibt jenen inneren Anteilen (Ego-Manager oder Kontrolleure genannt) die Führungserlaubnis, wobei es sich hier um eine Pseudo-Führung handelt. Alles, was gefährdend für das Selbst- und Fremdbild ist, wird vermieden, verdrängt und kontrolliert. So formt sich ein „ich“, eine Persönlichkeit, ein Ego, nenne es wie du willst. Dieses ich ist unvollständig, weil es wesentliche innere Anteile nicht akzeptiert, ernst nimmt, für falsch hält, für zu wenig oder zu viel hält, und so weiter und so fort. Man kann es auch einen Mangel an Selbstliebe nennen, der sich zu einem sich immer weiter kristallierenden und dadurch gewohnheitsmäßigen Alltags-Ich entwickelt. Das ist jetzt nicht verkehrt, Selbstkontrolle und Selbstregulation sind wesentliche Fähigkeiten des Erwachsenseins, nur wenn es darunter beziehungsweise dahinter brodelt, entstehen Konflikte. Diese Konflikte werden vos uns aber in der Regel nicht gesehen, da sie unterdrückt werden. Aus der Unterdrückung folgen blinde Flecken. Aus den blinden Flecken folgen Projektionen, Trigger, Konflikte. Geht mir auch so, wer ohne Fehler ist werfe hier den ersten Stein. Erwachsen zu werden heißt im wesentlichen zu lernen, sein Selbst zu integrieren und jene inneren Anteile zurückzuholen, die im Laufe der Biographie verstoßen wurden. Das hier soll jetzt nicht lapidar oder trivial klingen, viele Menschen tragen schwerwiegende traumatische Wunden in sich. Wir werden komplett abhängig und vulnerabel geboren, und unser Gehirn ist ein soziales Organ. Unsere inneren Polarisierungen und die Art, wie unsere Teile miteinander in Konflikt stehen, sich gegenseitig hemmen und welche negativen Glaubenssätze/Schemata sie auf sich geladen haben, wird durch die äußere Welt geformt. Ich möchte mit diesem Artikel helfen, ein tieferes Verständnis für dieses Phänomen zu fördern mit dem Fokus darauf, wie diese Teile-Realität zu Problemen in Beziehungen führt, und zugleich die wesentlichen Lösungsansätze bereitstellt. Dazu nun mehr Wieso Liebe in Beziehungen bedingt ist Die unterbewusste Dynamik unserer Psyche sorgt dafür, dass wir uns in der Regel Partner*innen suchen, die einerseits unser Verlangen nach Liebe und Annahme repräsentieren, zugleich auch Trigger sind für die eigenen biographischen Wunden. Daraus entsteht zwangsläufig eine paradoxe und ambivlante Situation. Das, was uns anzieht, macht auch Angst. Dass, was wir ins uns bekämpfen, bekämpfen wir zugleich in der Partnerschaft. Die intime Partnerschaft kann so zur Lösung aus den alten Wunden führen, oder eine Reinszenierung der Vergangenheit darstellen. Oder etwas dazwischen. Meistens einigen sich Partner implizit auf einen Kompromiss. Man akzeptiert und liebt bestimmte Teile des Gegenübers, andere aber nicht. So werden diese entweder kleingehalten, bekämpft oder es kommt zu eskalierenden Konflikten zwischen den verwundeten inneren Kindern, sie sich nicht auf Basis von Liebe füreinander entschieden haben. Viele Menschen sagen voreilig „ich liebe dich“ oder „ich vertraue dir“und halten dann fest an einem bestimmten Bild von sich und dem anderen, das gut konserviert und eingefroren wird. Die Wahrheit ist: Liebe ist zunächst bedingt, Vertrauen erreicht noch nicht alle Ebenen des selbst. Deine Partnerschaft ist in den meisten Fällen der perfekte Spiegel für die Themen, an denen du arbeitest, es wird hier jedoch komplex: Es gibt deine individuelle Geschichte, die deines Partners/ deiner Partnerin und eure gemeinsame Paarebene (und über offene Beziehungskonstellationen rede ich an dieser Stelle noch nicht. Konflikte sind so unvermeidlich, und müssen geführt werden. Gesunde Beziehungen entwickeln sich durch Konflikte und der Arbeit an den wesentlichen Kernthemen. Es ist das Zulassen von Abhängigkeit, dass immer ausgeglichen werden muss mit dem Bedürfnis nach Autonomie. Es sind die eigenen Schattenkinder, die den größten wahrgenommnen Mangel und Selbstzweifel auf sich geladen haben. Jene Anteile wollen stets ans Licht, um angenommen und geliebt zu werden, zugleich werden sie oft von den eigenen Kontrolleuren daran gehindert und es ist zudem für die Partnerin/ dem Partner am schwersten, genau jene vulnerablen Ebenen des Gegenübers zu lieben. Weil man eben die Wunden des anderen triggert. Du kannst dir aber sicher sein: deine Partnerwahl ist nicht zufällig, und jede Konstellation kann potenziell deinem Wachstum dienen. Das Leben unterstützt dich, wenn du vertraust und die richtigen Schlüsse ziehst. Dies kann bedeuten, auf die richtige Art und Weise an der Beziehung zu arbeiten, oder sich auf die richtige Art und Weise zu trennen. Nur ist es so, dass viele Partnerschaften festhängen an sensiblen Konfliktpunkten, und sich immer wieder um die gemeinsame Wunde drehen.
Anstatt mit der Wunde gemeinsam zu sitzen, zu fühlen und sich wirklich zu begegnen.
Hier kann es tief werden, vielleicht sogar existenziell:
Wofür sind wir eigentlich hier?
Wofür steht diese Partnerschaft?
Was wollen wir gemeinsam lösen?
Jede Beziehung hat eine ganz einzigartige Story, die sich jenen entfaltet, die in den entscheidenden Momenten innehalten. Es sind die Situationen, an denen du für gewöhnlich schnell, reaktiv oder kompensatorisch agierst. Hier braucht es Raum & Stille.
Nur so können die verletzlichen Anteile ans Licht und teilen, was sie wirklich bewegt.
Prüfe die Konfliktkultur in eurer Beziehung.
Aus meiner persönlichen Erfahrung: Hier ist es nicht leicht, wirklich ehrlich zu sich zu sein.
Unsere Persönlichkeit hat subtile Strategien der Eigen- und Fremdmanipulation, um das eigentliche Thema zu verschleiern.Weil wirklich vertrauen zu lernen für viele Menschen eine Lebensaufgabe ist, und wir die Arbeit nur mit anderen machen können. Es ist nicht leicht, für manche schwerer als für andere.
Aber mal ehrlich: Wofür sonst sind wir hier, als unsere Seele zu finden, zu lieben und vertrauen zu lernen?
Mir fällt nichts besseres ein. Dir?
Was nicht gesagt wird
Kommunikation endet, wo das Schweigen beginnt. Interessant ist in Partnerschaften of das nicht-gesagte, jenes, das zwischen Zeilen steht. Dafür gibt es nachvollziehbare biographische Gründe, die eventuell auch noch in der Gegenwart berechtigt sind. Entwicklung auf der Paarebene heißt, die gemeinsame Kommunikationsfläche zu vergrößern und mehr innere Anteile an den Verhandlungstisch einzuladen.
Es kann bedeuten, dass die verletzten kindlichen Seelen eine eigene Stimme bekommen.
Es kann bedeuten, dass jene Anteile, die an der Beziehung zweifeln, wertungsfreier zu Wort kommen können.
Es kann bedeuten, mehr Autonomie und Individualität zuzulassen.
Vieles davon wird im Alltag nicht gesagt. Ich höre oft Menschen in Beziehungen, die so etwas sagen wie„Ich habe doch alles in meiner Ehe/Partnerschaft, aber….“
Ja, das kann schon so sein.
Aber....
führst du auch weiterhin dein eigenes Leben?
Kennt dein Partner/ deine Partnerin deine Träume vom Leben?
Gehst du deinen Weg konsequent oder bewegst du in ewigen Kompromisslösungen?Fühlen sich all deine inneren Anteile sicher, wer tut es, wer nicht?
Kennt dein Partner/deine Partnerin deine erotischen Fantasien?
Und so weiter und so fort.
Wenn es so etwas wie eine individuelle Seele gibt, dann gibt es auch eine Partnerschaftsseele. Sie ist gekennzeichnet durch das Gefühl von Vollständigkeit, sowohl als Individuum als auch in der Partnerschaft.
Vollständig, nicht perfekt.
Vollständig heißt die Erlaubnis, Fehler zu haben, sich entwickeln zu dürfen, sich verletzlich zeigen zu können, Bedürfnisse zu haben, Grenzen zu brauchen, manchmal nicht weiter zu wissen.Wenn das die Grundlage der Kommunikation ist, dann kann mehr Begegnung stattfinden, und so mehr Vertrauen und Liebe an jene Orte fließen, die bisher davon zu wenig erfahren haben.Vollständiger zu werden heißt, dass mehr deiner inneren Anteile zu dir zurückfinden, und du so immer öfter in einen Zustand verkörperter Präsenz kommt. Lebendigkeit heißt, wirklich bei sich zu sein, mit dem was ist.
Lösungswege sind neue Wege
Lösungen findet statt, wenn ein Paar Auswege findet aus den Ambivalenzen und dem Konflikt-Strudel, um den sich das scheinbar Unlösbare bisher gedreht hat.
Albert Einstein schrieb, dass Konflikte nicht auf der Ebene gelöst werden können, auf der sie entstanden sind.
Auf Paarentwicklung bezogen heißt das, eine Ebene tiefer zu gehen, und zu schauen, wer hinter den verhärteten Fronten lebt. Es gibt hier ein Prinzip: Es geht selten um das vordergründige Thema, meist steckt etwas anderes dahinter, etwas verletzlicheres.
Partnerschaften leben von gelebter und verkörperter Intimität. Und es sind immer jene verletzlichsten inneren Anteile, die zugleich die größten Probleme haben, ihre Bedürfnisse nach Intimität zuzulassen und zu artikulieren.
Es ist die Frage, welcher Wunsch hinter dem Schutz und der Reaktivität steht.
Emotionen sind mehr als Gefühle, sie sind Teile deines Selbst.
Emotionen sind deine Wegweiser, jene Trigger, die dich zu verborgenen Anteilen führen.
Und unser Wunsch ist es immer, alle Teile des Selbst zusammenzuführen.
Dafür brauchen sie einen Ausdruck, eine Stimme, eine Gestalt.
Ich empfehle jedem Menschen, sich eine Übersicht zu verschaffen über die Struktur der eigenen Persönlichkeit.
Herauszufinden, wer alles in dir wohnt und Wege zu finden, diese Teile im Herzen zu integrieren. Intimität lebt davon, aus dem Herzen zu sprechen und zuzuhören, so Raum zu halten für sich selbst und andere.
Es erfordert Geduld, Beharrlichkeit, Ruhe.
Die interessante Erfahrung entsteht oft an den Momenten, an denen Menschen für gewöhnlich aus dem Kontakt gehen.
Was passiert, wenn du hier bleibst und tiefer spürst, in unbekannte Ebenen?
Du interessierst dich für paartherapeutische Unterstützung oder
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Informiere dich gerne mehr hier: https://www.simonreuter.com/loversoflife
Oder nimm Kontakt zu mir auf!
Alles Liebe
Simon
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