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Der Fluch des Perfektionismus


Schau dir zu Beginn das Bild des Bienenfressers an. Es ist eine Vogelart auf Sri Lanka, die dort recht häufig vorkommt. Ich hatte während einer Safari im vergangenen Jahr das Glück, dieses Bild machen zu dürfen. Wenn ich es betrachte, kommt mir folgender Begriff in den Sinn: Vollkommenheit. Wir sind umgeben von unfassbarer Schönheit und natürlicher Ästhetik auf diesem Planeten, wenn wir die Augen dafür öffnen und bewusst mit den Sinnen wahrnehmen. Der Bienenfresser trägt diese Vollkommenheit in sich. Er ist sich ihrer nicht bewusst, seine Schönheit ist einfach da und er teilt sie freigiebig mit der Welt. Es ist ein Rätsel und ein Mythos, weshalb die Natur eine solche Schönheit hervorbringt, aber es scheint ein grundlegendes Prinzip der Evolution zu sein. Vollkommenheit und Perfektion sind zwei verschiedene Dinge. Ein neugeborenes Baby in etwa ist wohl der Innbegriff der Vollkommenheit. Die meisten Menschen sind ergriffen von dieser Vollkommenheit, dem Wunder des Lebens. Perfektion dahingegen meint, nach dem Höchsten zu Streben, etwas zu meistern (z.B. ein Musikinstrument oder eine Sportart). Wir Menschen lieben die Perfektion, die Vollendung, die Harmonie und Schönheit, die aus ihr folgen. Es ist nichts schlechtes an der Perfektion, sie ist Grundlage von Kunst und kulturellem Fortschritt. Vielen Menschen tut es gut, in einer Sache richtig gut zu sein und ein Handwerk zu veredeln. Denn Perfektion ist nicht Perfektionismus. Häufig werden diese Begriffe synonym verwendet, aber ich möchte an dieser Stelle den Unterschied betonen. Wer "perfekt" sein möchte, versucht damit meist, einen inneren Mangel zu beheben. Dieser Mangel lautet z.B."ich bin nicht genug", "ich bin nicht richtig so wie ich bin", "ich kann nichts", "ich bin nur liebenswert, wenn ich mein bestes gebe".

Aus diesem Mangel erfolgt ein erlebter Druck, ein inneres nicht-zur-Ruhe kommen, ein Fehlen an Selbstakzeptanz und Selbstmitgefühl.

Perfektionismus führt zu Unfreiheit und einem ständigen inneren "Ich MUSS", ein strenges Über-Ich, dass im Imperativ Verhaltens- und Handlungs-Doktrinen vorgibt. Das eigene Leben wird zu einem ständigen Wegrennen von sich selbst, zu einem sich anpassen und starken kompensatorischen Verhaltensmustern. Der Perfektionismus ist die Krankheit unserer Kultur, da schon ab dem Kindergartenalter eine Kopplung zwischen Leistung und Selbstwert gelernt wird.

Perfektionismus hat dabei eine intra- und eine interpsychische Komponente.


Intrapsychisch meint, dass das eigene Verhalten ständig an eigenen, meist überhöhten Standards abgeglichen wird. Diese inneren Ziele werden meist nicht erreicht und wenn nur kurz. Zufriedenheit bleibt dadurch ein flüchtiges Phänomen, der innere Mangel bleibt bestehen.

Interpsychisch meint, dass es in Beziehungen ständig einen wahrgenommenen normativen Handlungsdruck gibt. Es liegen Bewertungs- und Versagensängste vor, dass eigene Verhalten wird so an vermutete und tatsächliche Standards angepasst, es findet kein Ausdruck des eigenen authentischen Selbst statt. Man versucht, zu gefallen, keinen Ärger zu machen, nicht abgelehnt zu werden, niemanden vor den Kopf zu stoßen.


Zugrunde liegt ein Schamerleben für das eigene Wesen. Oft glaubt man, dass man "zu viel ist", wenn man sich authentisch zeigt, dass Verletzlichkeit eine Schwäche ist, weshalb eine "glückliche", unkomplizierte Maske aufgesetzt und nach außen gezeigt wird.


Es handelt sich um ein nicht-lösbares Problem, einen endlosen Teufelskreis, ein energieintensives Spiel, dass nicht gewonnen werden kann.

Muss es auch nicht. Es geht darum, dieses Spiel zu erkennen und zu beenden. Der Mangel lässt sich nicht beheben, man kann nur erkennen, dass er illusionär ist. Denke zurück an das Neugeborene. Es ist noch vollkommen, es hat noch kein "bewusstes" Selbst, das einen ständigen inneren Mangel feststellen kann.

Wann in deinem Leben hast du begonnen zu vergessen, dass du bereits vollkommen bist? Welche biographischen Erfahrungen haben dich geprägt, wann hat sich der Mangel in dein Leben eingeschlichen? Was erwartest du von dir, was musst du leisten, um "gut genug" zu sein? Welchen nicht-erreichbaren Ziele rennst du hinterher? Viele Menschen haben Angst, den eigenen Perfektionismus aufzugeben, weil sie befürchten, dann ihre Leistungsfähigkeit und den Antrieb zu verlieren. Auch das ist eine Illusion. Am besten kreieren und erschaffen lässt sich aus der Liebe. Hier kann die Leichtigkeit des Seins erfahren werden, wenn der innere Kampf endet und Vertrauen die Basis des eigenen Handels wird, wenn ein tiefliegendes Gefühl von "ich bin genug" erfahrbar wird. Hierfür muss im Grunde gar nichts getan werden, es ist ein passiver Prozess, der Weg in die Vollkommenheit ist das Beenden des Versuchs, jemand sein zu wollen und anstelle dessen man selbst zu sein. Du bist genug, du musst dafür gar nichts leisten. Kannst du diese Worte glauben, und wenn nein, wo stehst du der Entfaltung deines authentischen Selbst noch im Weg?

 
 
 

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