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Der erotische Geist -Die 4 Eckpfeiler des erotischen Lebens

Aktualisiert: 4. Dez. 2023




Hast du dich schon einmal gefragt, warum und unter welchen Umstände du sexuelle Erregung empfindest? Zu wem fühlst du dich angezogen, wieso passiert es manchmal in Momenten, die du als völlig unangemessen wahrnimmst? Wieso geschieht es, dass die sexuelle Anziehung in Partnerschaften zu Beginn oft groß ist, dann aber abnimmt? Wie hängt das alles zudem mit gesellschaftlichen Faktoren und deiner eigenen biographischen Entwicklung zuzsammen? Ich möchte an dieser Stelle beginnen, die von dem genialen Psychotherapeuten Jack Morin entwickelte Liste von erotischen Eckpfeiler zu teilen. Diese Eckpfeiler haben sich durch aufwendige qualitative Interviewanalysen über Jahrzehnte herauskristallisiert. Sie treten in den zentralen erotischen Erinnerungen und Fantasien immer wieder auf, prägen individuelle sexuelle Bedürfnisse und können einen zentralen Aufschluss darüber geben, wie eigene erotische Begierde und Fantasien entstehen. Ich bin begeistert von dieser Arbeit, und ich glaube, dass durch eine tiefere Auseinandersetzung mit der inneren erotischen Landschaft jeder viel über sich erfahren kann und dadurch seine Lebenszufriedenheit (teils massiv) steigern kann. Hier folgt nun Eckpfeiler Nummer 1: Sehnsucht und Antizipation


1.1 Sehnsucht Eine Typische Eigenheit der menschlichen Erfahrung ist es, im Geiste ein Verlangen nach jemanden zu empfinden, den/die man aber nicht haben kann oder der/die nicht in der Verfügbarkeit erreichbar ist, wie man es braucht. Diese Erfahrung beginnt bereits als Kind, man schreit nach der Mutter, oder sucht sich imaginäre Spielgefährten. Die Realität der Abwesenheit wird durch das Erinnern oder Fantasieren versucht zu überwinden. Verlangen richtet den Blick immer auf das, was fehlt. Sehnsucht und Fantasie haben eine einzigartige Verbindung, Sehnsucht ist de facto Fantasie. Sehnsucht ist selektiv, es fokussiert den Geist auf die positivsten Eigenschaften der schmerzlich vermissten Person und ignoriert meist alles andere. Sehnsucht hat eine natürliche Verbindung zu romantischer Liebe.

Romantische Literatur spielt typischerweise mit verspäteter oder unerfüllter Sehnsucht.

Einseitige Sehnsucht gilt dabei als extremste Form der Sehnsucht (sich in jemanden Verlieben, der wenig bis nichts im Gegenzug fühlt), erotische Fantasien sind oft angereichert mit Unerreichbaren, verpassten Gelegenheiten, und wundervollen vergangene erotische Begegnungen. Situationen, in denen wir einen Geschmack davon bekommen, wonach wir uns sehnen, aber nicht die totale Erfüllung erfahren, bleiben oft zentral im Bewusstsein der Fantasiewelt. Sehnsucht erreicht seinen Höhepunkt unter Bedingungen von partieller oder intermittierender Befriedigung. 1.2 Antizipation: kurzfristige Sehnsucht Sehnsucht und Antizipation sind im Grunde Variationen des selben Themas. Beide ziehen Energie aus dem Spalt zwischen Verlangen und der Realität des gegenwärtigen Moments. Sehnsucht muss normalerweise Barrieren überwinden (z.b. die Partnerin wohnt weit weg), bei der Antizipation erscheint die Erfüllung näher und realistischer. Flirten funktioniert nur, wenn es ein Bewusstsein für Distanz gibt. Erotische Fantasien entstehen auf der Grundlage, dass der Spalt überwunden werden kann. Je intensiver der Flirt, umso größer die Antizipation und desto größer die Kraft des Verlangens. Sehnsucht und Antizipation entfalten ihre Kraft im Raum und der Zeit vor dem sexuellen Kontakt. Während des sexuellen Kontakts lässt sich das Verlangen durch gezielte, sinnliche Berührung aufbauen ("teasing" genannt), ein langsamer Aufbau von Antizipationen steigert die Begierde und mitunter die erotische Erfüllung.

1.3 Sehnsucht und Erfüllung Eine der größten Paradoxien des erotischen Lebens: Sehnsucht strebt nach Erfüllung, Erfüllung verdammt Sehnsucht. Sehnsucht erlischt teilweise, wenn die letzte Barriere überwunden wurde, einige erotische Fantasien fußen auf Unerreichbarkeit und können ohne diese nicht überleben.

Das Zusammenleben in langfristigen Beziehungen erschwert das Empfinden von Sehnsucht und Begierde, für viele Paare stellt es eine mitunter große Herausforderung dar, langfristig ein erfülltes Sexualleben zu führen.


Der Effekt der Sehnsucht kann in Beziehungen auch in der Fantasie aufrecht gehalten werden und sich, von dort, immer wieder erneuern. Ebenso ist eine gesunde Regulation von Nähe und Distanz hilfreich.

Wie du siehst, es ist mitunter paradox, wir sehnen uns nach der Nähe, benötigen aber zugleich die Distanz. Manche erotische Fantasien überleben nur, solange sie sich rein auf der Fantasieebene abspielen. Was sind deine Mechanismen, deine individuellen Erfahrungen mit Eckpfeiler Nummer 1?

Hier geht es nun weiter mit Eckpfeiler Nummer 2: Verstoß gegen Verbote 2.1 Jede Gesellschaft versucht, sexuelles Verhalten auf irgendeine Art und Weise zu zu limitieren. Das gleichzeitige Auftreten von Erregung und dem Verletzen von Regeln bei Kindern erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich auch in der erwachsenen Erotik eine Tendenz entwickelt, von regelverletzenden Verhaltensweisen und Fantasien erregt zu sein ( dies wird auch „naughtiness factor“ genannt), vor allem in Gesellschaften, in denen der Ausdruck kindlicher Sexualität blockiert wird (betrachte dir gerne, wie es in unserem Land ist). Viele der „Peak Encounters“ beinhalten das Verletzen von Regeln. Peak Encounters sind die Höhepunkte eigener sexueller Erfahrungen/Erinnerungen oder Fantasien. Jene Momente, in denen die stärkste innere Erregung wahrgenommen wurde. Der Reiz des potenziellen Entdeckt-werdens ist für viele Menschen ein (stark) erregender Faktor, semiöffentlicher Sex (z.B. in Parks, nachts an Stränden, in Flugzeugen) wird von vielen Menschen in der Fantasie (wobei Frauen dies statistisch eher als Fantasieereignis berichten) oder in Realität als eine der am stärksten erregenden erotischen Begegnungen berichtet.


2.2 Verbotene Früchte

Unangemessene/verbotene Partner sind manchmal am attraktivsten. Liebe wird zudem oft als Grund anerkannt, sich über Regeln hinwegzusetzen. Viele Menschen gehen in ihren erotischen Fantasien jedoch viel weiter als im echten Leben. In den Fantasien werden oft die meisten Regeln verletzt. Fantasien entlasten einen teils von allen sozialen, moralischen und pragmatischen Bedenken. Freude in der „naughtiness“ gibt es nur, wenn es Grenzen gibt, gegen die man pushen kann. Z.B. beklagen Menschen während der sexuellen Revolution der 60er und 70er Jahre, dass sie zu viele Freiheiten hatten, der Pushback der 80er und 90er kam nicht zufällig. Könnte ein Bedürfnis nach verbotenem Verlangen ein unbewusstes Motiv für striktere Regeln sein? Vor allem bei Katholiken, lesbischen und schwulen Menschen (dabei handelt es sich um "sexual outlaws", die die Regeln ablehnen, die sie partiell aus der Gesellschaft ausschließen und eine Ethik der sexuellen Freiheit anstreben, es handelt sich um Daten aus us-amerikanischen Umfragen) gibt es einen starken "naughtiness factor". Zudem kann eine wahrgenommene Überlegenheit über die Regeln, die einen einengen, auch ein Faktor für den eigenen Selbstwert sein. Vielleicht kannst du dich an einigen Punkten wiedererkennen. Wie Regeln und Gebote/Verbote die Entwicklung deiner Sexualität entwickelt haben, ist eine spannende Frage. Dieser Faktor erklärt auch, wieso das Setzen von Grenzen, z.B. zwischen Hierarchieebenen in Unternehmen, oft nicht funktioniert. Jede Grenze ist zugleich im Unterbewusstsein ein "turn-on". So erschafft jede vermeintlich Problemlösung in Form einer sexuellen Grenze zugleich ein neues Problem. Was sind deine Mechanismen, deine individuellen Erfahrungen mit Eckpfeiler Nummer 2? Eckpfeiler Nummer 3 schließt ein wenig an Eckpfeiler Nummer 2 an: Das Suchen nach Power/Macht 3.1 Die Geschichte der Kindheit ist das Bestreben, sich aus einem machtlosen Zustand zu einem starken Selbst zu entwickeln, das in einer teils indifferenten und feindlichen Welt bestehen kann. Ohne Erfolg droht ein Zustand submissiver Abhängigkeit. Die erste Strategie zur Überwindung ist direkte Handlung, also selbst nach einer machtvollen Position zu streben. Eine zweite, häufig übersehene Strategie funktioniert nach einer ähnlichen, aber abweichenden Logik: sich einem anderen kraftvollen Individuum zu unterwerfen. Dadurch kann kraftlosen Individuen fast totale Kontrolle gewährt werden. Wenn tatsächliche oder imaginierte Macht mit Erregung kollidieren, wie es oft zu Beginn des Lebens ist, wird die Kopplung dieser Faktoren intensiviert. Bei ca 50 % der Frauen und Männer gibt es Machtdifferenzen in ihren erotischen Fantasien (im englischen wird für Macht übrigens der Begriff "power" verwendet, der sich nicht 1 zu 1 übersetzen lässt). 3.2 Dominanz und Unterwerfung sind häufig Quellen (früh-)kindlicher sexueller Fantasien. Eine Paradoxie der Macht hierbei: Machthierarchien werden oft als „oben“ und „unten“ beschrieben. Es ist jedoch so, dass ein machtvoller Partner mit seiner/ihrer Leidenschaft den Wert und die Anziehungskraft des/der Unterwerfenden hervorheben kann, was auch umgekehrt gilt (durch die Unterwerfung). Sich hinzugeben und umgekehrt die Unterwerfung anzuerkennen kann somit unter den richtigen Bedingungen ein Akt der Liebe sein. 3.3 Macht und Verantwortung: Viele Männer berichten Schwieirigkeiten, sich zu unterwerfen, während die häufiger berichtete Unterwerfung bei Frauen auch mit der Abgabe von Verantwortung einhergehen kann. Oft gibt es eine unbewusste Assoziation mit körperlicher Stärke. Wie bereits erwähnt: Versuche, sexuellen Austausch in hierarchichen Verhältnissen zu limitierten, erhöht oft nur die Wahrscheinlichkeit, eben jene Regeln zu unterwandern. Spitzen erotischer Fantasien enthalten oft Elemente, in denen der Dominierende zum Dominierten wird und umgekehrt. Interessante Daten zum Aspekt der Sicherheit zeigen zudem: In der Fantasie der Frauen sind die Männer meist nett (abgrenzend zur Realität), in der der Männer umgekehrt kaum (es spielt für sie keine Rolle, ob die weiblichen Fantasieparter nett sind oder nicht). Was sind deine Mechanismen, deine individuellen Erfahrungen mit Eckpfeiler Nummer 3? Kommen wir nun zum vierten, am meisten überraschenden erotischen Eckpfeiler des Geistes: das Überwinden von Ambivalenz 4.1 Als Kinder betrachten wir die Welt zunächst mit Staunen und Neugierde, während im Prozess des älter werdens klarer wird, das das Leben schmerzhaft, gefährlich, unvorhersehbar und teilweise unverstehbar sein kann. Eine der härtesten zu verdauenden Wahrheiten ist, dass nahezu jeder von der Liebe verletzt wurde/ist, jeder wird zuweilen ignoriert und missverstanden Wir sind so abhängig als Kinder, dass es quasi unmöglich ist, nicht zu teilen emotional verwundet zu sein. Wir streben aber immer nach menschlicher Intimität und Nähe trotz der unvermeidbaren Verletzungen. Das Verlangen, in Kontakt mit der Welt zu sein und zugleich sich selbst zu schützen reicht auch in das erotische Feld. 4.2 Von Ambivalenz zur Leidenschaft: Wenn jemand sexuell ambivalent ist, sind die beiden Pole (Attraktion und Hindernisse) zugleich in ihm aktiv, unter den richtigen Umständen kann daraus ein großer Turn-On entstehen. Der Turn-On ist vor allem die Transformation gemischter Gefühle in einen Zustand der Eindeutigkeit der Lust, diese Geschichte operiert zumeist aus dem Hintergrund des Unterbewusstseins. Die Geschichte des Entdeckens des Neuen steht meist im Vordergund und nicht das Überwinden der Ambivalenz (weshalb es meist nicht als zentraler, erregender Faktor erkannt wird). 4.3 Ambivalente Anziehung: Früher oder später werden wir Personen begegnen, die uns zugleich anziehen und ablehnen (zumindest in der eigenen Wahrnehmung/Fantasie). Je stärker der Versuch des Widerstandes ist, umso stärker ist oft auf der anderen Seite die Anziehung. Zuweilen kommt es dadurch zu schmerzhaften Erfahrungen/Begegnungen, die danach schuldbeladen sind. Diese Ambivalenz kann teilweise durch Fantasien überwunden werden, zum Beispiel nach sexuellen Übergriffen: Negative Begegenungen im real-life werden manchmal vom geist automatisch in erregende sexuelle Fantasien transformiert werden. In der Fantasie werden oft die unangenehmen Komponenten herauspartialisiert. Dies kann für Betroffenene ein teils sehr irritiernender mentaler Vorgang sein. In der paradoxen Ambivalenz der Liebe kann der Wunsch jemanden zu „vermeiden“, dazu führen, dass die andere Seite genau die Tricks anwendet, um das Vermeiden zu verhindern.

Was sind deine Mechanismen, deine individuellen Erfahrungen mit Eckpfeiler Nummer 4? 5. Die Eckpfeiler in Aktion:

Was bedeuten diese Eckpfeiler nun für das eigene erotische Leben, in der Vergangenheit und der Fantasie?

Zunächst ist keiner der Eckpfeiler benötigt für sexuelle Erregung, sie dienen eher als Intensivierer, sie sind in fast jeder zentralen sexuellen Erinnerung/Fantasie enthalten (mindestens einer). Viele Menschen haben eine spezifische Affinität zu einem oder zwei der Eckpfeiler, während andere der Eckpfeiler wenig Interesse erfahren. Jeder Eckpfeiler operiert in einem auf einem Kontinuum von subtil bis dramatisch, weniger kann dabei zuweilen mehr sein, Intensität und Timing sind eher wichtig. Sehnsucht und Antizipation sowie das Überwinden von Ambivalenz treten typischerweise vor dem Sex auf, der Verstoß gegen Regeln/Verbote und die Macht-Dynamik kommen üblicherweise während des sexuellen Aktes zum tragen. Intensive Erotik bleibt jedoch immer paradox und unvorhersehbar. Alles was uns erregt, kann uns unter bestimmten Bedingungen auch abturnen. Durch das Verstehen kann jedoch der Reichtum und die Komplexität unseres erotisches Geistes mehr erfahren werden. Bewusstheit ist immer der Schlüssel zu mehr Spannung, Freude, Erregung und Abwechslung im sexuellen Leben. Teile gerne deine Gedanken zu den hier dargestellten Eckpfeilern. Ich freue mich wie immer, von dir zu hören. Herzliche Grüße und einen schönen Tag Simón

 
 
 

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