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7 Tage Shamanic Breathwork


Liebe*r Leser*in, der folgende Bericht ist eine persönliche, unzensierte Schilderung meiner subjektiven Erfahrungen, es sind keine objektiven Wahrheiten. Ich lade dich ein, den Text behutsam zu lesen, die Zeilen sind entstanden in Momenten, in denen ich mich in sensiblen Prozessen und/oder fundierte Inneneinsichten hatte. Es ist ein Geschenk, diese Einsichten teilen zu können. Ich wünsche dir viel Freude beim Lesen. Malaga, den 30.05.2004 Simon


Tag 1


Im Grunde genommen beginnt ein Retreat schon lange vor dem ersten Tag. Es startet mit dem inneren Klärungsprozess und der Antwort auf verschiedene Fragen. Möchte ich daran teilnehmen? Betrifft mich das Thema? Bin ich bereit, den Lehrern zu begegnen? Vertraue ich den Lehrern, halte ich sie für kompetent genug?

Betrachte ich den Preis für angemessen, kann ich mir die Zeit und den Raum nehmen? Dies und viele weitere Fragen stellt sich jeder Mensch implizit, bevor er den Schritt riskiert, in einen mehrtägigen Retreat-Raum einzutreten. So ging es mir auch, und so entschloss ich mich, mich für 7 Tage meiner Atmung in einem schamanisch gehaltenen Kontext zu widmen. Warum? Letztlich weil es an der Zeit war. In meinen ersten Lebensjahrzehnten war ich sehr damit beschäftigt, jemand zu werden, starke Identitäten zu entwickeln, meinen Platz zu entwickeln. Das Sein ist mir immer schwer gefallen, besonders in den letzten Monaten wurde mir in der Innenschau klarer, dass ich zwar selbstbewusste Ego-Manager in mir trage, mir mein wahres Selbst aber nur zuweilen begegnet ist. Wir entwickeln uns, um uns zu erinnern. Wir lernen, um anschließend wieder zu vergessen. Wir wollen jemand werden, und kehren schließlich doch zu uns zurück. Mit dieser einerseits schmerzhaften, andererseits auch erleichternden Erkenntnis fand ich mich schließlich mit kindlicher Neugierde, Offenheit und einer guten Dosis Grundvertrauen in Andalusien wieder. Wer bin ich den eigentlich, welche Teile trage ich in mir, wer ist noch nicht geheilt und von welchen Ego-Identitäten möchte ich mich lösen? Diese und viele weitere Fragen hatte ich in meinem inneren Reisekoffer verstaut und mitgebracht nach Südspanien.

Nahe der wunderschönen Stadt Orgiva liegt das Hidden Paradise, ein liebevoll, im Einklang mit der Natur erschaffener Retreat-Space. Geleitet wurde das Retreat von Elaine Yonge, einer mir aus dem ISTA-Feld bekannten Facilitator. Allein schon der Ort ist die Reise wehrt, versteckt gelegen in den grünen Hügeln der Sierra Nevada wird er in jeder Hinsicht seinem Namen gerecht, die perfekte Umgebung zum Social-Media-Detox und zur tiefen Innenschau. Ein guter Retreat-Space zeichnet sich dadurch aus, dass schon das Sein an diesem Ort genügt, um innere Portale zu öffnen. Einer unserer größten Lehrmeister ist die Natur. Sie erinnert uns an das unfassbare Wissen, die magische Intelligenz des Lebens, das alles durchfließt. Sie erinnert uns an das zeitlose Jetzt, dass als Kern des Lebens in jedem Objekt vibriert. Ich hatte das Glück, in der Nacht zuvor bei Freunden zu übernachten. Ra, der Hüter des Landes, erklärte mir, wie der Ort entstanden ist. Anders als es Menschen üblicherweise machen (nämlich dem Land ihre persönliche Vision überstülpen), enstand das Hidden Paradise als Resultat eines Kommunikationsprozesses mit der Erde, auf der nun die Gebäude stehen. Es ist eine absurde Idee, dass wir als Menschen Land besitzen können, alles ist nur geliehen von der Erde, alles kehrt irgendwann in die Erde zurück. Jedenfalls hatte ich durch diese freundschaftliche Begegnung die Möglichkeit, schon früher am Ort anzukommen. Meine Persönlichkeit mag das, es gibt ihr ein Gefühl von Kontrolle und meinem Körper zugleich die Möglichkeit, in Ruhe anzukommen, um so aus meiner Kraft heraus anderen zu begegnen. Schon in den ersten Begegnungen mit den anderen Retreat-Teilnehmer*innen wurde mir klar, dass sich in mir in den vergangenen Monaten etwas gewandelt hat. In mir spürte ich Ruhe, Klarheit, Offenheit. Die Befreiung davon, in Beziehungen etwas sein zu wollen, etwas von anderen haben zu wollen. In den Tagen davor wurde mir bereits sehr bewusst, wie kostbar Zeit ist. Ich hatte Prozesse, in denen ich mir verschiedene kindliche und jugendliche Exilanteile und Protektoren anschauen, mit ihnen fühlen und sie liebevoll annehmen durfte. So hatte sich zu Beginn des Retreats schon etwas gesetzt und ein neues Portal der Offenheit zeigte sich in mir. Gesunde Grenzen resultieren aus dem Zugang zur wahren Natur, die grenzenlos und verbunden ist, in der es nichts zu schützen gibt. Ich bin Liebe, das wurde mir bewusst. Und auf Basis dieser Liebe ging ich von Beginn an in die Erweiterung. Stunden später fand ich mich mit Tränen in den Augen in einem tiefen Prozess wieder, im außen war nichts spezielles geschehen, keine intensive oder aktivierende Übung. Nur in mir vibrierte etwas neues. Die Erlaubnis, alles willkommen zu heißen und nach Hause zu geleiten. Zurück in den ewigen Ozean der Bewusstheit. Der tiefe Prozess des Erinnerns und De-Konditionierens hatte begonnen. Ich war gekommen, um zu bleiben. Und damit meine ich nicht, mein Mensch-Sein zu transzendieren. Aber unter all den Ängsten, Sorgen, Zweifeln, den Überlebensmechanismen, dem Gefühl der Nicht-Zugehörigkeit, des ewigen Mangels und den kleineren Trauma-Reaktionen ist etwas, und das bin Ich. Und von dort aus möchte ich lernen, zu leben. In Einfachheit, in Harmonie, in Frieden, in Verbundenheit. Unsere wahre Natur ist Liebe und wir sind nicht hier, um zu kämpfen, sondern um uns daran zu erinnern. Unsere Kultur, unsere Gesellschaft, unsere Geschichte hat uns gelehrt, dass das Leben in Kampf ist, dass wir misstrauisch sein müssen, dass das Leben leiden ist. Aber was wäre, wenn das die Illusionen sind, die es zu überkommen gilt. Weil alle externen Konflikte nur Folgen interner Konflikte sind, die auf dem Vergessen bzw. Nicht-Erkennen der eigenen Natur beruhen. Ich glaube mittlerweile, dass es so ist. Nein ich weiß es sogar, dieses Wissen gibt mir Hoffnung. Jedenfalls fiel ich am Ende des ersten Abends müde und erfüllt ins Bett. Mit der Sicherheit, dass ich mich diesmal von Anfang an authentisch gezeigt habe. Tag 2 Am nächsten Morgen wachte ich auf, mit Kopfschmerzen, mit allergischen Reaktionen, mit einer Enge in den Atemwegen. Inwiefern meine Allergien psychisch oder somatisch bedingt sind, oder eine Kombination aus beidem, ist eine spannende Frage, ich vermute letzteres. Normalerweise erlebe ich solche Symptome in Südeuropa nicht, war es eine Folge der Prozesse des letzten Abends? Ein Retreat-Tag kann sehr lang sein, während ich dies schreibe, erscheint mir der Morgen bereits so weit entfernt. Hinter mir liegt eine erste intensive, ja möglicherweise lebensverändernde Breathwork-Reise. Danach habe ich immer gesucht, nach einer Möglichkeit, ohne externe, psychoaktive Substanzen tief in innere Heilungsprozesse einzutauchen. Durch Luft, durch Atmung, auf eine ganz natürliche Weise. Nach verschiedenen Vorereitungsprozessen am Morgen, die unter anderem Techniken aus dem Somatic Experiencing und Methoden zum Emotional Release beinhalteten, starteten wir am Nachmittag, passend zur spanischen Siesta-Zeit in die erste schamanische Breathwork-Reise. Ich muss zugeben, davor war ich durchaus müde und erschöpft, und ambivalent motiviert. Um eines vorwegzunehmen, mein aktueller Zustand könnte kaum anders sein. Die Instruktion beim schamanischen Breathwork ist recht simpel: Atme entweder durch die Nase oder den Mund rhythmisch ein und aus. Mache keine Pausen zwischen den Atemzügen, vertraue dem Prozess. Geleitet und begleitet wird die Reise durch Musik und Trommeln, die den Beginn und das Ende signalisieren. Dazwischen lag die subjektive Erfahrung der Teilnehmer, meine individuelle Reise, vorgegeben wurde lediglich das Thema „Letting go/loslassen“ als Einladung für das Spüren und Setzten der eigenen Intentionen. Zu Beginn tat ich mir etwas schwer mit der Atmung, mein Rhythmus wirkte unrund, es fühlte sich so an, als würde ich nicht richtig Luft bekommen. Relativ schnell kam ich in Kontakt mit inneren Ängsten, ich begegnete meinen 3 Urängsten: Der Angst vor der Liebe, der Angst vor dem Tod, der Angst vor dem Leben. Ich glaube, dass diese  3 Ängste die 3 wesentlichen Urängste aller Menschen sind, auf denen unsere neurotische Persönlichkeitsstruktur gedeiht. Jetzt geschah etwas spannendes, ich konnte im Prozess die Energie wandeln, aus Angst wurde Vertrauen, ich entschied mich, die Lebendigkeit und die Liebe durch meinen ganzen Körper fließen zu lassen, spürte Akzeptanz und Gewissheit, dass diese Reise anders werden würde.

Ich betrat Neuland. Ich stand auf, konnte mich trotz des Schwindels stehend halten, schüttelte mich, lies die Energie durch meinen Körper wandeln. Meine Atmung geschah immer mehr auf eine natürliche Art und Weise, mit weniger Kontrolle, weniger Druck. Ich verstand, dass es beim Shamanic Breathwork kein richtig oder falsch gibt, nur die individuelle Weisheit des Körpers, der weiß, was zu tun ist, wenn man ihm achtsam zuhört. So signalisierte mir mein Körper, mich wieder hinzulegen, die Atmung zu intensivieren und mich auf meinen Bauch zu fokussieren. Dort spürte ich Wellen von Schmerz, begegnete ihnen neugierig und erinnerte mich an eine Beschreibung für das englische Wort für Schmerz: P Pay A Attention I Inside

N Now Genau, so machte ich es, tut weh, bringt aber was, und zwar folgendes:Ich erfuhr tiefes Vertrauen und spürte die endlose Unterstützung des Universums, die mich umgibt, klingt groß, war auch so. Vor ein paar Monaten bekam ich den Auftrag, meinen inneren Schamanen zu finden. Hier war er, ich verstand die Bedeutung. Die mystische Weisheit dieses faszierenden Körpers, den ich bewohne, öffnete sich mir. Das ist Power, das ist tiefes Vertrauen, das ist Heilung, alles ist schon da, nichts war jemals zerbrochen, das bin ich, ich gehöre hier hin, auf diese Erde. Diese Unterstützung, ich kann sie jederzeit einfordern, und ich bin frei mit meiner Lebenszeit das zu machen, was ich für sinnvoll halte. Meine Ängste, meine Sorgen, meine Zweifel, sie sind einerseits nicht meine, ich lasse sie los und zugleich sind sie unbegründet. Ich kann das einrufen, was ich für meinen Prozess brauche und ich habe die Erlaubnis, Raum einzunehmen. Abends saß ich in der Sonne, mit Blick über die andalusischen Berge. Was gibt es jetzt zu tun, was anfangen mit diesem neuen Weg? Erstmal Abendessen, bevor die Persönlichkeit wieder busy damit wird, neue Ziele zu setzen und Pläne zu schmieden. Ich bin doch schon hier, und es ist doch alles schon da.

Tag 3 Atmung ist die Brücke zwischen dem Bewusstsein und dem Unterbewusstsein. In meinem Mandala, dass ich im Anschluss an meine Breathwork-Reise malte, wurde mir dies sehr deutlich. Wie wir durch Atmung unser Gehirn neu vernetzen können, unterdrückte Schattenanteile hervorholen, so loslassen, uns mental und körperlich reinigen. Tiefe Veränderung ist möglich. Es ist wohl wissenschaftlich nicht ganz zu erklären, was durch Breathwork geschieht. Ich mag neurophysiologische und -psychologische Erklärungen und dennoch: aus meiner Sicht gibt es da etwas mystisches, etwas unerklärbares, was Teil ist der menschlichen Erfahrung. Ich kenne diese Momente von psychedelischen Reisen mit Ayahuasca, Psylocybin oder LSD, jetzt wusste ich, dass auch Atmung dieses Potential besitzt. Heute morgen wachte ich auf, wie so oft etwas früher, als es mir lieb ist. Im Bett liegend beobachtete ich mit Neugierde, was sich in mir bewegte. Wenn ich eine essentielle Komponente aus den letzten Monaten mitnehme, dann ist es, meinen Blick wirklich nach innen zu richten, mich dem Kosmos meiner inneren Erfahrungswelt zu öffnen, nicht mehr zu vermeiden, mich abzulenken oder zu unterdrücken. In mir drinn bewegte sich etwas, es fühlte sich neu an, freier, schwingender, vibrierender. Mir wurde bewusst, wie wenig ich mir in den vergangenen Jahren erlaubt hatte, das Leben wirklich zu genießen. Wie ein inneres Mantra legte sich der Gedanken „das Leben ist kurz, genieße es!“ in meinen Geist. Kein schlechter Start in den Tag, insbesondere in Anbetracht eines weiteren Tages, der vor mir lag mit gutem Essen, schönen Begegnungen, intensiven Prozesse, gehalten von der Wärme mediteraner Leichtigkeit. Durch den Morgen leitete mich ein Gedicht von Rumi, dem gerne zitierten Sufi-Poeten der Liebe: The water of life is here. I am drinking it. But I had to come this long way to know it. Liebe ist Bindung und Bindung ist Liebe, eine mögliche Definition. Ziel der Selbstheilung ist Selbstliebe, was die Verinnerlichung der sicheren Bindung in sich ist, mit sich selbst, mit der Welt. Jene Anteile, die noch nicht geheilt sind, fühlen sich verlassen, verwundet, zerbrochen, unvollendet. Sie suchen noch nach Liebe im außen. Das ist okay, aber letztlich ist die äußere Realität nur ein Spiegel der inneren Realität. Am Vormittag wurden wir durch einen Prozess geleitet, in dem wir den Einfluss der Atmung auf das vegetative Nervensystem erfahren durften. Es ist erstaunlich, wie Sympathikus und Parasympathikus auf kleine Ateminterventionen oder Töne reagieren, wie wir uns gemeinsam ko-regulieren können, wie der Vagus-Nerv unsere Psyche beeinflusst. Mein Problem: Sympathikus-Aktivierung geht leicht, Parasympathikus fällt mir noch schwer. Auch ich trage die gesellschaftliche Konditionierung des Dauerstress und der Dauerüberreizung in mir. Folgen sind Schmerzen und eine reduzierte Genussfähigkeit. Zeit daran zu arbeiten. Am Nachmittag stand die zweite Atemreise an, diesmal in einem neuen Setting. Schamanisch geatmet wurde nur von der Hälfte der Gruppe, die andere Hälfte hielt den Raum, bezeugte, begleitete liebevoll mitfühlend Prozesse. Ich wollte erst nicht starten, auf Grund von Müdigkeit und Erschöpfung, entschied mich dann doch zu atmen. Was folgte war eine psychedelische Reise, mit der ich wahrlich nicht rechnete. Die beste Grundhaltung ist sowieso, keine Erwartungen zu haben, Intentionen zu setzen, und sie dann zu vergessen. Der Anfang war wieder schmerzhaft, die intensive Atmung schmerzt im Solarplexus, es erfordert zu Beginn den Einsatz von Willenskraft und Vertrauen in die Methode, um meinen inneren Prozess in Gang zu bringen. Was kam, war eine Vertiefung meiner eigenen Spiritualität. Mit Spirit meine ich nicht Liebe (oder die Seele/wahres Selbst), sondern die Verbindung zum größeren Leben. Es ist schwer zu beschreiben, aber ich fühlte den unendlichen Support vom Kosmos und der Erde. Tränen flossen mir mehrmals über die Wangen, während ich mich dem größeren Leben öffnete, mich halten lies, den Schmerz der Erde spürte. Mein Gebet richtete sich an die Heilung für die Erde und alle auf ihr lebenden Wesen. Ich spürte den Schmerz der westlichen Kultur, der zurückreicht bis zur Kreuzigung von Jesus. Die ursprüngliche Sünde ist das Verlassen der Liebe, die wir sind. Das Paradies ist nicht verschwunden, wir können es wieder in uns finden, das Kreuz auf unserem Rücken ablegen. Wenn diese Wunde geheilt ist, werden wir in Frieden und Harmonie zusammenleben. Wie bereits erwähnt, dies hier sind subjektive Einsichten, keine objektiven Wahrheiten. Anders als bei Reisen mit Psychedelika ist bei schamanischem Atmen der Geist nie komplett weg, das ermöglicht eine andere Form der inneren Arbeit auf beiden Ebenen, dadurch finden das transpersonale und das personale zusammen. So war es mir möglich, von meiner inneren Selbst-Führung und meiner Selbst-Energie in Kontakt zu treten mit meinen Wunden. Ich spürte meine Protektoren, die konditioniert wie sie sind dazu neigen, Selbstzweifel wegzuschieben. Wo sind sie lokalisiert…in meinem Bauch, wer hätte das gedacht. Was passiert, wenn ich den Zweifeln zuhöre und das darunter liegende verletzte Kind liebend annehme. Überwältigende Gefühle, Integration, Freude, Frieden. Die Reise fühlte sich zuweilen an wie eine Wiedergeburt, ich durchlebte meine Kindheit und Jugend, all die Momente, in denen ich von der Welt nicht als Liebe empfangen wurde, die ich bin. Ich fühlte es ohne Verbitterung, sondern mit mit einem Gefühl der Vergebung. Ich gab die Wut, die nie meine war, zurück an die Vergangenheit, holte meine verletzten Anteile zugleich zurück in die Gegenwart. All meine inneren Kinder sind willkommen, hier zu bleiben. Diese Schritte sind nicht leicht, ich bin mittlerweile weit weniger naiv, ich kenne meine Fallstricke, meine Protektoren, meine Abwehrmechanismen immer besser. Ja unsere Vergangenheit beeinflusst unsere Gegenwart, aber wir können uns mit der Zeit lösen von alten Geschichten und neue schreiben. Diese Selbstheilung ist jedem Menschen möglich, weil jeder die dafür notwendigen Selbstheilungspotentiale in sich trägt. Ich verstehe immer mehr die heilende Kraft und den Beitrag, den schamanisches Breathwork leisten kann. Und das war erst Tag 3, Wahnsinn! Zeit den Abend mit einer Runde in der Sauna abzuschließen. Tag 4 Letzten Abend lag ich im Bett, mit geschlossenen Augen und durfte mich dem farbenprächtigen Spektrum der LSD-artigen Formationen erfreuen. Es ist erstaunlich, was sich im Bewusstsein entfalten kann. Hat es mein Gehirn produziert, oder woher kommt es? Integration ist ein wesentliches Merkmal jeder Transformationsreise. Mein Geist meint, dass er gut und schnell darin ist. Mein Körper und meine Seele jedoch gehen zu Fuß. Anders als in den vergangenen Retreats habe ich in diesem mehr Zeit zum spüren, reflektieren, fühlen. Das tut gut. Breathwork ist anstregend, nach manchen Reisen fühle ich mich wie nach einem Halb-Marathon oder einem heftigen Workout, der heutige Tag war geprägt durch einen körperlichen und seelischen Muskelkater. Nicht unbedingt angenehm, eher eine weitere Challenge. Zu sagen, dass man sich selbst liebt ist relativ leicht, es zu verkörpern eine andere Sache. Vor allem die Liebe in jene Teile fließen zu lassen, die es nicht annehmen möchten, die im Konflikt bleiben wollen, die dem Frieden und der Harmonie nicht trauen. Von der bedingten zur bedingungslosen Selbstannahme und -akzeptanz zu kommen erfordert Geduld. Das Leben verläuft weder linear noch zyklisch, sondern in einer Spirale. Wir entwickeln uns und begegnen doch immer wieder den gleichen Themen. Sind sie jemals lösbar? Ich weiß es nicht, aber es kann einfacher werden mit der Zeit. Es erfordert Beharrlichkeit und einen immer stärker werdenden Zugang zur inneren Essenz. Heute hatte ich keine Session, ich durfte aber bezeugen, wie sich die Magie und das Mystische in anderen entfaltet. Es ist eine Erfahrung und ein Geschenk in sich selbst, andere Menschen in diesen tiefen Prozessen zu begleiten. Ich fühlte ganz klar, wieso ich diese Form von innerer Arbeit zukünftig selbst anbieten werde. Was bleibt von diesem Tag ist Konfusion. In Frieden und Harmonie zu leben fühlt sich noch ungewohnt an. Mein Körper hat sich an den Dauerstress und körperlichen Schmerz der letzten Jahre gewöhnt, ja ist fast süchtig danach. Zur Ruhe kommen tut gut, aber es fühlt sich auch auf einigen Ebenen unsicher an. Dinge und sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist. Nichts mehr verändern zu wollen, dem eigenen Leben die Erlaubnis zu geben, schön zu sein. Keinen Mangel mehr in sich zu tragen. Ich arbeite daran bzw. versuche, nicht daran zu arbeiten. Das ist der Trick. 


Tag 5 Unsere Biologie kümmert sich nicht darum, ob wir glücklich sind. Die in uns verankerten Systeme sichern unser überleben, unsere Fortpflanzung. Und dennoch ist da mehr. Wie kann es sein, dass zugleich Liebe unsere wahre Natur ist, dass jeder spirituelle Weg zum Ziel hat, diese innere Essenz zu erfahren. Aus einer evolutionsbiologischen Perspektive macht dies keinen Sinn. Vielleicht ist dies auch Teil der Antwort. Unser menschliches Sein ist komplex, widersprüchlich, mit mehreren Ebenen, multidimensional und letztlich nicht gänzlich greifbar. Erwachen heißt nicht, irgendwann irgendwo final anzukommen. Es ist ein stetiger Prozess des Loslassens, des Verstehens, des Vergessens und des Erinnerns. Wenn mein Verstand sich Ziele setzt, die er erreichen möchte oder Dinge, die es zu verändern gibt, sind sie meist groß. Eine Sache, die mir am Morgen des 5. Tages jedoch klar wurde. Wenn es einen zentralen Faktor gibt, den ich grundsätzlich verändern möchte in meinem Leben, dann ist es Schlaf und damit einhergehend die Balance meines vegetativen Nervensystems. Es ist interessant, eine Woche offline zu sein. Keine Mails zu lesen, keine Nachrichten auf Social Media zu erhalten, sich generell nicht mit sozialen Netzwerken zu beschäftigen und den oft ungesunden Einflüssen, die diese Kanäle auf meine Psyche haben. Keine schlechten Nachrichten, die uns ständig aus allen Ecken der Welt erreichen. Stattdessen Natur und tolle Menschen. Was für eine Freude es sein kann, einem Grashüpfer zuzuschauen, wie er sich bewegt, morgens in die Ferne zu blicken, ein Buch zu lesen mit Zeit. Wenn man in einer westlichen Gesellschaft aufwächst, kann man leicht vergessen, dass man einen Körper hat. Ja irgendwie schon, da ist etwas unter dem Kopf, er erfüllt verschiedene Funktionen, schmerzt manchmal, viel mehr aber auch nicht. Kein Wunder, dass als Heilmethode der Wahl die Psychotherapie dominiert, die sicherlich ihren Stellenwert hat. Aber da ist noch viel mehr. Tantra und Schamanismus lehren mich, dass ich mein Körper bin, dass mein Selbst im ganzen Körper lebt, dass es einen Unterschied gibt zwischen Emotionen fühlen und Emotionen verkörpern. Mir war vor dieser Woche nicht bewusst, wie viele emotionale Barrieren ich in meinem Körper trage, wie blockiert und wenig verbunden die Energiezentren teilweise sind, wie viele Wunden und ungelöste Konflikte ich noch in mir trage. Wie immer startete die nächste Atemreise mit einer einfachen Instruktion, ähnlich dem holotropen Atmen: Atme schneller und tiefer als gewöhnlich und warte, bis du überrascht wirst oder etwas deine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

So startete die nächste Session diesen Vormittag. Nach 2 Einheiten gab es einen neuen Teil in mir, der meinte verstanden zu haben, wie Shamanic Breathwork funktioniert. Es ist erstaunlich, wie schnell wir als Menschen neue Ego-Identitäten formieren, wie automatisch es geschieht, das wir fast alles was passiert auf uns beziehen. Unsere Persönlichkeit nimmt so viel persönlich (klar deswegen heißt sie auch so) und vergisst dabei die Interdependenz, die Vernetztheit, das Zusammenspiel unzähliger Faktoren, die unsere individuelle menschliche Erfahrung bedingen. Meine Atem-Reise war tief, sehr tief. Wie bereits bei den letzten Sessions kamen die Prozesse überraschend, ich begegnete Themen, die ich bereits aus der Vergangenheit kannte, sah neue Aspekte, löste mich und begegnete erneut meiner inneren Essenz. „Ich brauche mich nicht zu schützen“ war ein inneres Mantra, dass sich während der Reise ergab. Mein wahres Selbst ist grenzenlos und kann intuitiv gesunde Grenzen setzen. Schamanische Felder ändern das Gefühl für Zeit und Raum, besonders in Gruppenprozessen entsteht so eine neue geteilte Realität. Vieles, was geschieht, ist zu außergewöhnlich um es in Worte zu fassen. Man kann es nur erleben. Was ich sagen kann, ich weiß nicht, ob meine Sinne schon einmal so offen waren. Was für ein Genuss es sein kann, Wasser zu trinken, von innen zu spüren, wie es die Kehle und Speiseröhre hinunterläuft. Essen hat noch nie so intensiv geschmeckt, Musik so klar geklungen. Die Filter werden schwächer, Realität erscheint klarer, ich sehe andere Menschen mehr so wie sie sind. Ich erkenne das innere Kind in jedem, dass im Grunde nur geliebt und angenommen werden möchte. Es kann so einfach sein. Es ist ein Privileg, diese innere Arbeit machen zu dürfen. Es ist essentiell, sie als Geschenk anzunehmen und weiterzugeben. Schamanische Praktiken dienen der Heilung in Communities und Familien. Als Menschheit sind wir eine große Familie. Das Ego vergisst das, das Selbst erinnert. Tag 6 Es ist fraglich, ob ein Heilungsprozess jemals abgeschlossen ist. Je mehr Liebe verfügbar ist, umso mehr Teile kommen hoch, die zurückfinden möchten zur Quelle. So oszilliere ich zwischen Momenten, in denen ich mich heil, vollkommen und unzerbrochen fühle mit Phasen starker Polarisierung und scheinbar unlösbaren Konflikten. Dieses Retreat fordert viel von mir, viel innere Arbeit, viel zuhören, moderieren, lösen und die Entwicklung einer neuen Qualität von achtsamen Mitgefühl. Stück für Stück hole ich mir ein Leben zurück.

Eine der Hauptillusionen, die es im Leben zu überkommen gilt, ist das es einen äußeren Wandel benötigt. Der äußere Wandel folgt automatisch auf den inneren Wandel. Es ergibt keinen Sinn, zurückzuschauen und sich etwas anderes zu wünschen. Je mehr ich in schamanische Felder eintauche, umso klarer höre ich die Harmonie des Lebens, in der ich mich befinde. Es hätte nicht anders laufen können in meinem Leben. Ich bin exakt dort, wo ich zu sein habe. Finde und praktiziere die richtigen täglichen Routinen und alles wird kommen. „Und gehe den Weg nicht alleine“, sagt mir eine Stimme in mir. „Sei mutig und frage nach Unterstützung, rufe das ein in dein Leben, was du für eine nächsten Schritte brauchst. Vertraue ins Universum.“

Am Ende ist die entscheidende Frage der Heilung:„Bin ich bereit, mich und alle meine Teile in ihrer Imperfektion zu lieben?“, und daraus folgend „bin ich bereit, andere und all ihre Teile in ihrer Imperfektion zu lieben?“ Perfektion ist nicht Vollkommenheit, Vollkommenheit ist nicht Perfektion. Der einzig wirkliche Sinn unserer Existenz ist letztlich, ein tiefes, vollwertiges menschliches Leben zu führen. Nichts mehr, nichts weniger, das reicht. Es ist ein Tanz zwischen Leere und Fülle, wir fühlen uns oft halbleer oder halbvoll. Schamanisches Breathwork heißt auch, sich zu leeren, um sich anschließend der Fülle des Lebens zu öffnen, als spirituelles, verbundenes kosmisches Wesen, das eine tiefmenschliche Erfahrung macht. Aber was ist Liebe?

Liebe ist kein Gefühl. Liebe ist auch keine Erfahrung. Liebe ist kein Gedanke. Liebe ist keine Geschichte. Liebe ist der Boden, auf dem ich stehe. Liebe ist die Luft, die ich atme. Liebe ist das Wasser, dass ich trinke. Liebe ist der Horizont über mir. Zwischen Geburt und Tod liegt Zeit. Und diese Zeit möchte ich mehr und mehr nutzen, um zu lieben und um zu leben. Leben heißt fühlen und ich bin bereit, alles zu fühlen, den Schmerz und das Leid sowie die Freude und das Glück. Heute atmete ich anders, ohne Druck, ohne die Ambition nach einer tiefen Erfahrung. Einfaches Sein, niemand mehr sein, außer ich, im Jetzt, atmend.


Ich beginne tiefer zu verstehen, was schamanische und was tantrische Arbeit ist. Besonders heute konnte ich den Einfluss meiner sexuellen Lebensenergie auf meine seelische Balance spüren. Wie Atmung das Band ist, dass alles verknüpft, so den inneren Fluss ermöglicht und Kontakt herstellt. 

Mein Leben außerhalb des Containers fühlt sich immer mehr an wie eine Illusion, das hier ist die wahre Realität. Was mache ich jetzt damit, ich spüre mehr und mehr Widerstand zurückzukehren. Tag 7 Ich sitze in Malaga, in einer Café-Bar. Um mich herum pulsiert das Leben, ebenso mein Kopf, der etwas schmerzt von dem Schlafmangel der letzten Tage. Es ist ein sensibler Moment, einen geschützten Retreat-Space zu verlassen. Ich bin mittlerweile geübt darin, und ich mag Malaga, das andalusische Lebensgefühl, das macht es leicht.Ich spüre, wie alte Mechanismen um sich greifen. Ich hüte mich davor, ich bleibe klar. Ich spüre, wie wertvoll und limitiert meine Aufmerksamkeit ist. Wie wichtig es ist, klar und fokussiert zu bleiben, mich zukünftig besser zu schützen. Ich habe schon an vielen Retreats teilgenommen und bin danach immer mehr oder weniger zurückgekehrt in meine alte Realität. Diesmal ist es anders, das weiß ich jetzt schon. Etwas in mir hat sich verändert, ist erwacht. Der notwendige Wandel ist jetzt da, das Vertrauen. Der Vogel ist aus seinem goldenen Käfig, die Schlange hat sich gehäutet, Entscheidungen wurden schon getroffen. Nicht von meinem rationalen Verstand, sondern in meinem Unterbewusstsein, ich habe mich verändert. Wie genau es geschehen ist, kann ich nicht erklären, sicherlich haben sich viele Nervenzellen in meinem Gehirn neu verknüpft. Ich habe meine individuelle Spirtualität gefunden. Vor mir liegt eine neue Zukunft, hinter mir eine andere Vergangenheit. Ich spüre Frieden, Optimismus und Mut in einer Form, die ich nicht kenne. Und Dankbarkeit. Für meine Familie, meine Freunde, das Glück, in diesem Körper in dieser Kultur in dieser Zeit hier sein zu dürfen. Dieses Leben ist ein Geschenk und ich darf es leben. Auch wenn mir das rational vorher bewusst war, gab es Teile in mir, die sich betrogen gefühlt haben vom Leben, die gefangen waren in Angst, Trauer und Einsamkeit. Ich sage nicht, dass sich jetzt alles aufgelöst hat. Ich bin nicht naiv, vor mir liegt ein komplizierter Prozess. Aber ich bin bereit, die Verantwortung für mein Leben mehr denn je zu übernehmen. Das Ziel meines Lebens ist nicht, hart zu arbeiten, um irgendwann irgendwo anzukommen. Das Ziel ist zu leben, jetzt und hier und zu fühlen. Weil es so kostbar ist. Mir steigen die Tränen in die Augen, während ich dies schreibe. Das Leben ist so verdammt schön, und diese Schönheit, die Vergänglichkeit schmerzt zuweilen. Es ist alles miteinander verbunden und vor mir liegt ein neuer Weg. Es ist mein Weg und nur ich kann wissen, was der nächste Schritt ist.

 
 
 

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