Sinnhaftigkeit, Klarheit, Ausrichtung
- Simon Reuter
- 17. Juni
- 4 Min. Lesezeit

Der Holocaust-Überlebende und Psychologe Viktor Frankl nannte unser Motiv nach Sinnhaftigkeit das tiefste Bedürfnis, das wir in uns tragen. Es kann naheliegend sein, in diesen Zeiten die Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz oder unserer kollektiven Existenz in Frage zu stellen. Sind wir als Menschen gut oder schlecht? Wo ist der Sinn in Angesichts all des Schreckens, all der Gewalt, in einer Welt voller Nihilismus und Akteure mit schlechten Absichten. Sind wir als Menschen das Problem, die Lösung, beides oder keines von beidem? Fest steht: Seit es Menschen gibt, die die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung und Selbstreflektion haben, stellt sich unweigerlich die Frage nach dem "wofür"?
Wofür möchtest du stehen? Du kannst mögliche oder einfache Antworten finden, wenn du dir unsere Kultur anschaust: Suche dir einen Job, zahl deine Steuern, gründe eventuell eine Familie, verreise zweimal pro Jahr in Urlaub, konsumiere fröhlich, bis es zu Ende ist. Es ist leicht, diesen Weg zu gehen, nur was ist dein Weg? Bist du hier, um zu konsumieren, oder um konsumiert zu werden?
Sinnhaftigkeit entsteht nicht aus Individualismus. Sinnhaftigkeit entsteht aus Anbindung, und Verbindung. Das Trauma der westlichen Kultur liegt in der Abspaltung von der eigentlichen Quelle des Sinns: dem Leben.
Der individuelle Sinn ist somit, in der Theorie jederzeit verfügbar. Er ist darin zu finden, was Ausdruck finden möchte durch dich.
Das Bedürfnis nach Sinn ist gleichbedeutend mit dem Wunsch, sich mit einer Sache zu verbinden, die größer ist als man selbst.
Und dieses Leben ist viel größer als du. Schau dir die Menschen an, die ihre Erfüllung in der endlosen Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse suchen.
Die Tech-Bros, die Bosse in der Wirtschaft, Politiker, die die Welt als großen Selbstbedienungsladen begreifen. Der Zustand unserer Welt ist gleichbedeutend mit der spirituellen Sinnkrise unserer Zeit.
Mit dem Fehlen von Tiefe, von Dienen, von Hingabe.
Die Idee, das wir etwas besitzen können, weil es so in einem Vertrag steht, ist eine teuflische Idee.
Alles ist geliehen, auch dein Körper. Am Ende kehrt alles zurück in diese Erde.
Was bleibt am Ende?
Im Klein-Klein des Alltages geht diese Frage leicht verloren.
Und was ist jetzt?
Als Männer sind wir mit dem permanenten Dilemma konfrontiert, Prioritäten gegeneinander
abzuwägen. Ziele sind wichtig, und das Leben findet zugleich im Hier-und-Jetzt statt.
Du brauchst Ziele, um deinem Handeln eine Ausrichtung zu geben. Dennoch ist das Erreichen eigener Ziele sekundär, primär ist der Prozess, das eigene Handeln im Hier-und-Jetzt.
"Wofür", "Was" und "Wie" sind die dahinterliegenden Fragen.
Ersteres betrifft das Motiv deines Handelns. Je tiefer dieses ist, umso sinnhafter wird dein Leben, so ist es zumindest in der Theorie.
Zweiteres betrifft die Ziele. Was willst du und wie stark ist dein Wille, wie unzähmbar dein Feuer?
Lässt du dich zurückhalten von deinen wahrgenommenen Limitierungen, bremsen von Hürden und Widerständen.
Oder bist du bereit, alles zu geben?
Männer brauchen ihren Willen, um alles zu geben für ihre Ziele. Wachstum erfolgt durch die Widerstände hindurch, durch das Überwinden von Barrieren und dem Erreichen des Neulandes, das dahinter ist.
Setze dir Ziele, die zu deinen tiefsten Motiven passen, fokussiere dich auf den Prozess und lass dich überraschen, wo dieser dich hinführen wird.
Es gibt zahllose Literatur über "gute" und "schlechte" Ziele, angemessene Erwartungen, Strategien zur Erreichung, etc.. Lies dort gerne nach, falls du Inspiration suchst.
Im Mittelpunkt stehst immer du und dein höheres Selbst, bzw. deine Seele. Niemand kann dir sagen, was dich in der Tiefe bewegt, nur du kannst es herausfinden.
Durch deine Liebe und durch deinen Schmerz. Unsere Wunden und unsere Liebe sind untrennbar miteinander verbunden. Sie zeigen uns, was uns wirklich wichtig ist. Es sind jene Punkte, auf die du zunächst nicht schauen möchtest.
Tiefer Sinn ist das Ende der Selbstmanipulation und die Rückkehr zu den Wahrheiten des Körpers.
Im kleinen wie im großen bedeutet dies die Transformation der Traumata unserer Zeit. Dieses Trauma kann sich in dem Gefühl zeigen, klein, unbedeutend und minderwertig zu sein. Und sich beweisen zu müssen, sich endlos beweisen zu müssen. Bis dieser Körper müde umfällt. Ein Leben im Überlebensmodus.
Die Umkehr dieser Logik ist der Blick nach innen auf deinen Tempel, den du bewohnst.
Dieser sterbliche Körper.
Dieser mystische Ort.
Du wirst sterben, du wirst alles verlieren, und hier kannst du alles gewinnen.
Der Sinn als Mann ergibt sich aus dieser Anerkennung, und im Einklang mit den Prinzipien von Leben und Tod durch die Welt zu schreiten.
Dies ist die Reise des steten loslassen von allem, was dich von der Welt trennt. Das Ego hält fest, weil es Angst hat vor dieser Tatsache, dass es kein Leben ohne Tod gibt.
Viktor Frankl hat dem Tod tief in die Augen gesehen. Viele sind daran verzweifelt, er ist es nicht. Er hat "Ja" zum Leben gesagt. Dein Sinn ergibt sich aus deinem Ja zum Leben, dass immer wieder erneuert wird. Memento mori, das Leben ist kurz, und kann eine unglaublich spannende Reise sein.
Heute, Bruder, ist ein guter Tag um zu leben. Wie es geht ist das Mysterium des Körpers, das stets aufs neue sich entfaltet.
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