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Archetypen und Mythologie

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Archetypen und Mythologie Dieser Artikel ist teil 2 einer 4-teiligen Serie zu archetypischer Psychologie. Er befasst sich vertieft mit der Bedeutung von archeytpischen Bildern und mythologischen Geschichten für unsere seelische Entwicklung. Ich möchte beginnen, indem ich eine der klassischen mythologischen Geschichten teile und anhand dieser das Konzept von Archetypen und die kulturelle Notwendigkeit von Mythologie erläutere. Es gibt diese großartige Geschichte in der griechischen Mythologie. Sie handelt von der schönen menschlichen Psyche und dem jungen Gott Eros (Amor im lateinischen), Sohn von Aphrodite. Psyches Vater konsultiert in der verzweifelten Suche nach einem Ehemann das Orakel von Apollo, um jenen zu finden. Dort bekommt er die Vision, seine schöne Tochter einem göttlichen Wesen zu opfern. Dieser Auftrag soll durchgeführt werden von Aphrodite, der Göttin der Liebe. Sie sieht in Psyche eine mögliche Rivalin und sendet ihrem Sohn Eros aus, um sie zu vernichten. Eros jedoch verliebt sich in die Jungfrau, bringt sie in an einen geheimen Ort, wo er fortan in der Dunkelheit mit ihr verkehrt, sich heimlich mit ihr trifft. Als Aphrodite dies mitbekommt, trennt sie die beiden Liebenden. Psyche gibt sich in einem verzweifelten Versuch Aphrodite hin, jene beginnt sie mit Peitschen und anderen Folterwerkzeugen zu quälen. Um sich wieder mit ihrem Liebhaber zu vereinen, muss sie eine Reihe unmöglicher Aufgabe erfüllen, die von Aphrodite gestellt werden, unter anderem eine Reise in die Unterwelt zu Persephone, um ihr eine Schatulle zu überbringen. Von dort wird sie schließlich von Eros gerettet. Wieder vereint erzeugen die beiden einen Sohn, der Voluptas genannt wird, was frei übersetzt soviel wie Lebenslust bedeutet. Was möchte uns diese Geschichte sagen? Alles und nichts. Mythologische Geschichten verfolgen kein Ziel. Sie zu interpretieren ist möglich, aber mitunter nicht hilfreich. Vielmehr sind sie Metaphern, die auf ein komplexes Zusammenspiel von Energien hinweisen, die aus dem Hintergrund heraus die Struktur unserer Persönlichkeit formen. Diese Energien werden archetypische Energien genannt. Archeytpen sind Bilder im Unterbewusstsein, die aus Sicht der archetypischen Psychologie aus der tiefsten Ebene des Bewusstseins entspringen. Diese Ebene wird das kollektive Unbewusste genannt. Kollektiv, weil Bewusstsein auf dieser Ebene kein individueller Prozess mehr ist. Unsere Existenz entfaltet sich in diesem Bewusstsein, unsere Individualität speist sich so aus anima mundi, der Weltseele. Aus dieser Sicht sind wir viel weniger individuell, als wir es annehmen. Vielmehr prägt der Zeitgeist die archetypischen Bilder, die aus dem Unterbewussten heraus seelische Prozesse initiieren, die sich erst zuletzt in individuellen Wahrnehmungen und Entscheidungen zeigen. So ist unsere Erfahrung als Mensch zugleich personal und transpersonal. Transpersonal bedeutet, dass durch uns in jedem Zustand unseres Bewusstseins verschiedene archetypische Energien wirken, die sich nicht in die eigenen Ego-Strukturen integrieren lassen. Stattdessen bilden diese Energien die individuelle Struktur unsere Seele, unseres tieferen Selbst, die nicht rational strukturiert, sondern sich durch Imaginationen, Bilder und Träume zeigt. Diese tieferen Bilder formen eigentlich unser Bewusstsein, ohne unsere willentliche Kontrolle, während die Persönlichkeit meint oder versucht, die Kontrolle zu haben. Das gibt der eigenen Existenz etwas schicksalhaftes und impliziert zugleich, dass der eigene freie Wille eine Illusion ist. Die Freiheit ist stattdessen darin zu finden, sich den größeren Wirkzusammenhängen, den Dramen und der sich immer wieder aufs neue entfaltenden Dynamiken des Lebens hinzugeben, und durch die Unterstützung des schamanischen Netz des Lebens ein tieferes Gefühl von Individualität zu finden, das nicht mehr spaltet, sondern vereint. In der oben skizzierten Geschichte repräsentieren Apollo, Eros, Psyche, Aphrodite, Persephone und Voluptas archetypische Energien, die durch die Seele verschiedene Erfahrungen und Motive in der Persönlichkeit ermöglichen. So gesehen ist jede Erfahrung, die wir machen das Ergebnis von göttlicher Aktivität. Und es gibt nicht einen Gott, sondern unzählige, in der Tiefe unseres Bewusstseins findet sich ein polytheistisches Reich an Gottheiten. Wie du sie nennst, ist dir überlassen. Wir haben sie nicht unter Kontrolle. Wir können sie nicht integrieren. Aber wir können uns befreien, indem wir sie wirken lassen und uns so differenzieren und komplexer werden. So hat Liebe viele Formen. So ändert sich ständig unsere innere Gestalt. Wir sind nicht eine Person, wir sind viele. Die Struktur der Seele ist so komplex, vielschichtig, widersprüchlich und ambivalent. Es geht nicht anders, die großen mythologischen Geschichten erinnern uns daran. Das wir uns nie zu sicher sein sollten, im Leben kann sich alles schnell ändern. Ein seelenzentriertes Leben zu führen heißt, der Seele zu dienen. Es heißt, dem inneren Pantheon der Götter zu dienen, und sich nicht in den Strukturen des Egos zu verlieren. Sondern die Weltseele zu fühlen, die uns alle formt, unser und dein Karma, gespeist aus dem Geist unserer Zeit. Ja, aus dieser Sicht hat das Leben etwas schicksalhaftes. Es negiert zugleich nicht, das gesunde Ego-Strukturen wichtig sind. Nur ein erwachsenes, gesundes Ego wird sich hingeben können. Es negiert auch nicht, die Persönlichkeit zu entwickeln und wichtige Ziele zu verfolgen. Aber wer dabei die Seele vergisst, verliert das eigentliche Ziel aus den Augen. T.S. Elliot schrieb: „We had the experience but missed the meaning Mythologische Geschichten helfen uns, dem Erlebten eine Bedeutung zu geben und die Mehrdeutigkeit jeder Erfahrung zu erkennen. Es ist ein Schutz vor zu viel Kausalität im Leben und ein Hinweis darauf, sehr vorsichtig mit Bewertungen zu sein. Psychologie braucht so Mythologie, nur so finden wir unseren wirklichen bestimmten Platz im kosmischen Geschehen. So kann sich das eigene Schicksal entfalten, indem das Leben geschehen darf.

 
 
 

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