Anima
- Simon Reuter
- 26. Aug.
- 4 Min. Lesezeit

Anima. Wer ist das? Wer ist sie? Ist sie feminin? Gibt es so etwas wie eine Seele? Findet unsere Existenz in dieser Seele statt? Jenem fundamentalen Ort jeder Erfahrung, die die alten Griechen Psyche und die Römer Anima nannten. Dieser Artikel ist teil einer 4-teiligen Serie, die ich in den nächsten Wochen veröffentlichen werde und an jene Seelen gerichtet, die tiefer eintauchen möchten in sich. Falls du dich darüber hinaus für Anima Solis, unsere Tempelprojekte für Seelen-Initiation interessierst, kannst du dich gerne hier: https://www.simonreuter.com/animasolis und hier: https://www.eventbrite.de/e/anima-solis-community-tempel-tickets-1486863020319 vertieft informieren.
Ich verwende die Begriffe Anima, Psyche und Seele synonym. Meine Arbeit hierzu speist sich aus verschiedenen Quellen:
Archetypischer Psychologie in Anlehnung an C.G. Jung, Mythologie mit besonderem Fokus auf den alt-griechischen Polytheismus und fernöstlicher Spiritualität. 1. Anima Unsere Kultur und unsere Psychologie unterliegt gewissen Strömungen. Diese Strömungen sind unter anderem ein christlich geprägter Monotheismus, spät-kapitalistischer Materialismus und persönlichkeits-fixierter Ego-Zentrismus. Jene Strömungen haben dazu geführt, dass das Bewusstsein für das Konzept der Seele im weitesten Sinne aus unserem Bewusstsein verschwunden ist. Die Kirche hat das Göttliche vom Menschen getrennt und seelische Entwicklung über Jahrtausende durch eine pseudo-spirituelle Doktrin ersetzt. Die Psychologie hat aus einer Geisteswissenschaft eine Naturwissenschaft gemacht und glaubt nur noch an das, was sich empirisch messen lässt. Durch die Fixierung auf materielle Aspekte unseres Seins geht jedoch das Bewusstsein verloren für die feinen, subtilen und immateriellen Aspekte unserer Existenz. So entstand seit Mitte des 20-Jahrhunderts eine Psychologie, in der das menschliche unserer Erfahrung im Zentrum des Weltbildes steht, mit bekannten Folgen wie hyperindividualistischen Strömungen und einer Kultur, deren Reichtum sich primär aus materiellen Aspekten definiert. Für spirituelle Prozesse und seelischen Reichtum ist in diesem Welt- und Menschenbild nur noch wenig Raum. Wir leben in Zeiten des Egos, der Persönlichkeitsentwicklung und der ewigen Selbstverbesserung. Anima, dahingegen, zeichnet eine grundsätzlich andere und tiefere Perspektive. In dieser entsteht unsere Existenz und unser Bewusstsein aus tiefen psychischen Prozessen. Diese Prozesse sind primär transpersonal, kollektiv und archetypisch (dazu mehr in Artikel 2). Unsere Seele ist keine rational-kognitive Instanz, sie ist nicht mentalisiert, nicht greifbar, sie ist eine höchst individuelle Erfahrung. Sie zeigt sich durch Imagination, durch Bilder, durch Träume und Fantasien. Es ist jene Instanz in uns, die Erfahrungen ihre Bedeutung zuschreibt. Sie konsumiert nicht, sondern möchte konsumiert werden. Anima steht in Relation mit dem Begriff Animismus. Alle indigenen Kulturen sind in ihrem Weltbild animistisch, d.h. sie glauben, dass wir in einem lebendigen Kosmos leben, der von spirituellen Entitäten, Gottheiten und höheren kosmischen Kräften bewohnt wird. In dieser Perspektive entfaltet sich unsere Existenz aus dem kollektiven Bewussten und Unbewussten, unsere Individualität speist sich aus der Weltseele, anima mundi. Wir leben in Bewusstsein, in einem gemeinsamen schamanischen, unsichtbaren Netz, in dem alle Erfahrungen zueinander in Bezug sehen. Dies ist die Antithese zur Struktur des Egos, dass trennt, teilt, analyisiert, individualisert und separiert.
Seelenzentriert zu leben heißt so, sich primär als transpersonal und sekundär als individuell zu sehen. Es heißt, zu verstehen, dass wir Ausdruck sind größerer kosmischer Kräfte, die wir weder greifen noch vorhersagen können. Psyche ist das Resultat der Welt in der wir leben, in der die Erde und das Kollektiv die individuelle Struktur unserer Seele formen. Anima fungiert als Bindeglied, sie verbindet die immateriellen und materiellen Aspekte unserer Existenz. Anima ist unser imaginatives Potential. Sie möchte erfahren und sich ausbreiten und entwickelt sich im Kontakt mit der Welt. Sie zeigt sich vor allem durch Pathologie (dazu mehr in Artikel 4), sie erwacht in der Dunkelheit, sie entwickelt Symptome. C.G. Jung schrieb dazu : "Wie erwachen nicht, indem wir Figuren des Lichts imaginieren, sondern indem wir den eigenen Schatten sichtbar machen." Wenn man diesen Satz lange auf sich wirken lässt, und das sollte man tun, kann man erkennen, wie widersprüchlich dieses seelische Grundprinzip zu unserer Idee von Heilung ist, die auf ewiger Verbesserung und Symptomreduktion basiert.
Die Seele möchte nicht geheilt werden, sie möchte durch uns durchscheinen. Sie ist das primäre Prinzip, dass alles integrieren kann und sich mit allem identifizieren kann. Anders als es manche pseudo-positiven humanistischen Weltbilder darlegen, ist die Seele wesentlich mehr als nur Liebe. Liebe ist ein wesentliches Prinzip, vielleicht kommt Liebe zuerst und zuletzt und ist die entscheidende Kraft, durch welche die Seele erwacht und sich selbst erkennt, die Seele zeigt sich aber auch durch Depression, durch Angst und sie entwickelt sich in der Auseinandersetzung mit dem Tod und der eigenen Vergänglichkeit. Die Seele ist poetisch, sie kann nicht direkt beschrieben werden, sondern durch Musik, Poesie, Mythen und alle Formen von Kunst ausgedrückt werden. Und es ist nicht eine Seele, vielmehr scheinen viele seelische Potentiale durch uns, weshalb uns auch nicht eine Person bewohnt, sondern viele. Auch wenn diese Sicht für viele Menschen gewöhnungsbedürftig ist, so sind wir alle multiple Persönlichkeiten, mit einer transpersonalen Natur und einer kosmischen spirituellen Essenz. Wer seine Seele verliert, lebt depersonalisiert und abgestumpft. Ereignisse werden nicht mehr erfahren, sondern distanziert erlebt. Seele braucht Personalisierung, sie braucht einen Bezug zu Objekten, dafür ist die Persönlichkeit wichtig. Wenn das Ego sich nicht als primäre Instanz sieht, sondern durchlässig wird für größere Kräfte, kann die Seele mehr und mehr erstrahlen. Wir personalisieren Erfahrungen vor allem durch Liebe, daher sind die Psyche und Liebe so eng miteinander verbunden, daher erwachen wir durch Liebe. Eine seelenzentrierte Sicht impliziert zugleich, Licht und Schatten, das Helle und das Dunkle, das Materielle und das Immaterielle nicht mehr voneinander zu trennen. Alles ist potenziell heilig und göttlich. Während das Ego stets erfolglos versucht, sich einzigartig und wertvoll zu fühlen, kann durch die Aktivität von Anima wirkliche Besonderheit erfahren werden. Das echte Gefühl von Einzigartigkeit kommt durch seelische Fülle, was paradoxerweise weniger Individualität und mehr Kollektiv bedeutet. Das Ego kann helfen, in dem es an das dahinter liegende seelische Potenzial glaubt, in es vertraut und bereit ist, sich mehr hinzugeben. Die Frage kann dann nicht mehr sein, ob du an die Existenz deiner Seele glaubst, sondern ob deine Seele an dich glaubt. Zum Abschluss imaginiere gerne folgende Perspektive: Du bist eine unpersönliche Person, eine Metapher, die mehrere Personifizierungen verkörpert, mimetisch zu Bildern im Herzen erlebt, die dein Glaube sind, und diese Seele, die dich projiziert, hat archetypische Tiefen, die fremd, unmenschlich und unpersönlich sind. Deine sogenannte Persönlichkeit ist eine Persona, durch die deine Seele spricht. Du bist Anima Solis, Seele der Sonne, Schatten der Nacht, angereichert mit unermesslichem inneren Reichtum, den es in dieser Lebenszeit zu erforschen gilt.
_edited_edi.png)



Kommentare